Abstract
Obwohl die Heirat sowohl quelltextlich als auch zwischenmenschlich im Islam eine zentrale Angelegenheit darstellt, wird der Hafen der Ehe von der hiesigen neuen Generation der
MuslimInnen kaum ohne erschwerende Turbulenzen und Grenzüberschreitungen erreicht.
Die Untersuchung innerhalb einer ganzheitlichen Betrachtung, welche Kontext- und Quelltextanalysen sowie empirische Forschungen unter den relevanten Akteuren – Jugendliche, deren Eltern, Imaame, muslimische Professionelle und nichtmuslimische Experten – umfasst, kommt zum Ergebnis, dass die betroffenen Jugendlichen, deren Familien und die Gemeinden zusammen eine (Tarbiyyah-)Strategie umzusetzen haben, welche Zina-Vermeidung durch Empowerment realisiert.
Letzteres beinhaltet die Option der Zina-Vermeidungsehe, auch wenn diese nicht alle Bedeutungen, Werte und Ideale des islamischen Eheverständnisses erfüllt.
3.3.1.1. Die Expertenbefragung in den Urquellen
Die Vernunft gebietet, dass nicht alle Fragen durch Mehrheitsentscheidung der Gesamtbevölkerung geklärt werden können. Die folgende Aayah befasst sich mit dieser Angelegenheit:
وَإِذَا جَاءَهُمْ أَمْرٌ مِنَ الأَمْنِ أَوْ الْخَوْفِ أَذَاعُوا بِهِ وَلَوْ رَدُّوهُ إِلَى الرَّسُولِ وَإِلَى أُوْلِي الأَمْرِ مِنْهُمْ لَعَلِمَهُ الَّذِينَ يَسْتَنْبِطُونَهُ مِنْهُمْ وَلَوْلا فَضْلُ اللَّهِ عَلَيْكُمْ وَرَحْمَتُهُ لاتَّبَعْتُمْ الشَّيْطَانَ إِلاَّ قَلِيلاً
Wenn zu ihnen eine Nachricht über etwas Sicherheitsgewährendes oder Angsteinflößendes kommt, verbreiten sie diese. Hätten sie es dem Gesandten und den Verantwortlichen unter ihnen über-lassen, hätten davon Kenntnis diejenigen unter ihnen, die dieses ableiten können. Gäbe es ALLAAHs Gunst euch gegenüber nicht sowie SEINE Gnade, wäret ihr dem Satan gefolgt, außer wenigen von euch.[i]
Ar-raisuuniy kommentiert, dass Spezialisierungen, Fachkenntnisse und Erfahrungen seitens der befragten Verantwortungsträger auf ihrem jeweiligen Gebiet Voraussetzung seien.[ii]
Die Geschichte des Propheten Yuusuf (‘alaihis-salaam) ist in diesem Zusammenhang erhellend. Er (‘alaihis-salaam) ergriff aufgrund seiner Expertise die Initiative und bot sich als Verantwortungsträger an. Der nichtmuslimischen Herrscher übertrug ihm (‘alaihis-salaam) daraufhin die politische Verantwortung in seinem Spezialgebiet:
وَقَالَ الْمَلِكُ ائْتُونِي بِهِ أَسْتَخْلِصْهُ لِنَفْسِي فَلَمَّا كَلَّمَهُ قَالَ إِنَّكَ الْيَوْمَ لَدَيْنَا مَكِينٌ أَمِينٌ * قَالَ اجْعَلْنِي عَلَى خَزَائِنِ الأَرْضِ إِنِّي حَفِيظٌ عَلِيمٌ * وَكَذَلِكَ مَكَّنَّا لِيُوسُفَ فِي الأَرْضِ يَتَبَوَّأُ مِنْهَا حَيْثُ يَشَاءُ نُصِيبُ بِرَحْمَتِنَا مَنْ نَشَاءُ وَلا نُضِيعُ أَجْرَ الْمُحْسِنِينَ
Der König sagte: „Bringt ihn mir! Ich möchte ihn in meinen persönlichen Dienst stellen.“ Als er mit ihm sprach, sagte er: „Du genießt heute bei uns eine besondere Stellung und Vertrauen.“ (55). Er sagte: „Setze mich für die Schatzkammer des Landes ein. Ich bin sicher acht-gebend, wissend.“ (56) Solcherart festigten WIR (die Stellung von) Yuusuf im Lande, dort hält er sich auf, wo er will. WIR lassen UNSERE Gnade zuteilwerden, wem WIR wollen. WIR lassen die Belohnung der Gütigen nicht verloren gehen.[iii]
Ebenfalls verweist der Quraan bezüglich religiöser Fragen wiederholt darauf, Menschen mit Fachkenntnissen aufzusuchen:
وَلَقَدْ آتَيْنَا مُوسَى تِسْعَ آيَاتٍ بَيِّنَاتٍ فَاسْألْ بَنِي إِسْرَائِيلَ إِذْ جَاءَهُمْ فَقَالَ لَهُ فِرْعَوْنُ إِنِّي لأَظُنُّكَ يَا مُوسَى مَسْحُوراً
Bereits ließen WIR Muusa neun eindeutige Aayaat zuteilwerden. So frage die Kinder Israails, als er zu ihnen kam und Pharao dann ihm sagte: „Ich denke doch über dich, du Muusa! – daß du verzaubert bist.‘[iv]
الَّذِي خَلَقَ السَّمَوَاتِ وَالأَرْضَ وَمَا بَيْنَهُمَا فِي سِتَّةِ أَيَّامٍ ثُمَّ اسْتَوَى عَلَى الْعَرْشِ الرَّحْمَنُ فَاسْأَلْ بِهِ خَبِيراً
„Er ist Derjenige, Der die Himmel, die Erde und das, was zwischen ihnen ist, in sechs Zeitphasen erschuf, dann wandte ER Sich Al’ahrsch zu. ER ist Der Allgnadende, so frage über Ihn einen Kundigen!“[v]
Ibnu-kathiir bezieht den Kundigen in dieser Aayah auf den Gesandten Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam).[vi] Des Weiteren fordert eine Aayah wiederholt im Quraan dazu auf, einschlägig Wissende aufzusuchen:
وَمَا أَرْسَلْنَا قَبْلَكَ إِلاَّ رِجَالاً نُوحِي إِلَيْهِمْ فَاسْأَلُوا أَهْلَ الذِّكْرِ إِنْ كُنتُمْ لا تَعْلَمُونَ
WIR machten zu Gesandten vor dir nur Männer, denen WIR Mitteilungen zuteilwerden ließen. So fragt die Kenner der Schrift, wenn ihr selbst nicht wisst.[vii]
وَمَا أَرْسَلْنَا مِنْ قَبْلِكَ إِلاَّ رِجَالاً نُوحِي إِلَيْهِمْ فَاسْأَلُوا أَهْلَ الذِّكْرِ إِنْ كُنْتُمْ لا تَعْلَمُونَ
Vor dir entsandten WIR als Gesandte nur Männer, denen WIR Mitteilungen zuteilwerden ließen. So fragt die Schriftgelehrten, wenn ihr selbst nicht wisst.[viii]
Ibnu-kathiir verweist darauf, dass mit Leute von Adh-dhikr die Anhänger der zuvor durch Wahy mitgeteilte Bücher gemeint sind.[ix] Gemäß dem Beispiel des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) ist auch die Fachexpertise eines Nichtmuslims zu schätzen. Als es im Zuge der Hidschrah darum ging, einen kundigen Wegführer für sich zu gewinnen, scheute der Prophet (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) nicht davor zurück, den vertrauenswürdigen Polytheisten ‘Abdul-laah bin Uraiqiit zu beauftragen ihn und seinen Gefährten Abu-bakr zu begleiten.[x]
Im Vorangegangenen ist aufgeführt, dass andere religiöse Überzeugungen kein Hindernis darstellen dürfen von Wissenden zu lernen und zu profitieren. Gleichfalls sollen gemäß dem Musterbeispiel Sulaimaans (‘alaihis-salaam) keinerlei andere Unterschiede oder Hierarchien davon abhalten, von anderen Informationen zu akzeptieren:
Der Prophet und König Sulaimaan (‘alaihis-salaam) hatte nichts dagegen einzuwenden dem kleinen Wiedehopf zuzuhören, als dieser ihm etwas mitteilen wollte, worüber – dessen war er sich sicher – Sulaimaan (‘alaihis-salaam) keine Kenntnis besaß:[xi]
فَمَكَثَ غَيْرَ بَعِيدٍ فَقَالَ أَحَطتُ بِمَا لَمْ تُحِطْ بِهِ وَجِئْتُكَ مِنْ سَبَإٍ بِنَبَإٍ يَقِينٍ
„Dann blieb er nicht lang weg, dann sagte er: Ich kundschaftete aus, was du nicht auskundschaftest, und ich brachte dir aus Sabaa eine sichere Mitteilung.‘“[xii]
Sulaimaan (‘alaihis-salaam) war ein Prophet, der sich nicht davor scheute, sein Gegenüber, dass keine Wahy zu empfangen vermochte, als spezifisch kenntnisreicher zu akzeptieren. Der Wiedehopf ist hier der Untergebende und darüber hinaus ein Tier, welches als kundiger gegenüber dem Gebieter eines Reichs und einem Menschen auftritt.
3.3.1.2. Die Beratung(seinholung) in den Urquellen
Beratung und Expertenbefragungen kommen in den Urquellen des Islam zahlreich und innerhalb verschiedener Kontexte vor.
Im Folgenden werden beide Formen der Informations- bzw. Meinungseinholung in den Urquellen mit den dazugehörigen Kommentaren muslimischer Gelehrsamkeit der Vergangenheit wie auch der Gegenwart abgehandelt.
Die Abhandlung wird verschiedene Kontexte darlegen, innerhalb derer die Beratung in den Quelltexten thematisiert wurde, um mit einer Diskussion unter den klassischen Gelehrten die Fragen nach der Reichweite und Einordung der Schuura innerhalb der Takliifi-Normen zu beantworten.
Die Thematik der Beratung wird an den Anfang gesetzt, wobei zuerst die betreffenden Aayaat und deren Auslegung vor der Sunnah und Siirah abgehandelt werden:
3.3.1.2.1. Die Beratung(seinholung) im Quraan
Der Quraan thematisiert das Prinzip der Beratung mehrfach. Die 42. Suurah des Quraan trägt sogar den Namen Al-Schuura – was um ein Weiteres den hohen Stellenwert der Beratung im Islam betont.
Nach Ibnu-‘aaschuur war die Schuura, die ALLAAH mit den Engeln vor der Schöpfung des Universums abhielt, die erste gesellschaftliche Praxis, ihr kam somit dadurch, dass sie vom Schöpfer initiiert worden war, eine gewaltige Ehre zu.[xiii]
Im Folgenden der quraanische Abschnitt:
وَإِذْ قَالَ رَبُّكَ لِلْمَلائِكَةِ إِنِّي جَاعِلٌ فِي الأَرْضِ خَلِيفَةً قَالُوا أَتَجْعَلُ فِيهَا مَنْ يُفْسِدُ فِيهَا وَيَسْفِكُ الدِّمَاءَ وَنَحْنُ نُسَبِّحُ بِحَمْدِكَ وَنُقَدِّسُ لَكَ قَالَ إِنِّي أَعْلَمُ مَا لا تَعْلَمُونَ (30) وَعَلَّمَ آدَمَ الأَسْمَاءَ كُلَّهَا ثُمَّ عَرَضَهُمْ عَلَى الْمَلائِكَةِ فَقَالَ أَنْبِئُونِي بِأَسْمَاءِ هَؤُلاء إِنْ كُنتُمْ صَادِقِينَ (31) قَالُوا سُبْحَانَكَ لا عِلْمَ لَنَا إِلاَّ مَا عَلَّمْتَنَا إِنَّكَ أَنْتَ الْعَلِيمُ الْحَكِيمُ
(Erinnere daran), als dein HERR zu den Engeln sagte: „ICH setze auf der Erde ein Geschöpf ein, das sich einander nachfolgt!“ Sie fragten: „Setzt DU darauf etwas ein, das darauf Verderben anrichtet und Blut vergießt, während wir DICH mit DEINEM Lob rühmen und DICH als den reinen Heiligen verehren?“ ER sagte: „ICH weiß, was ihr nicht wisst!“ (31) Dann lehrte ER Aadam alle Namen und führte die Dinge den Engeln vor und sagte: „Teilt MIR deren Namen mit, solltet ihr wahrhaftig sein.“ (32) Sie antworteten: „Gepriesen erhaben seiest DU! Wir verfügen nur über das Wissen, das DU uns gelehrt hast. DU bist DER Allwissende, DER Allweise!“[xiv]
Ar-raisuuniy merkt zum Abschnitt 2:30-32 kommentierend an, dass die Praxis der Schuura auch dann sinnvoll sei, wenn von den jeweiligen Verantwortungsträgern bereits zuvor ein Entschluss getroffen wurde und somit auch nichts debattiert werden muss. Die Betroffenen würden somit eine Ehrung empfangen oder aber instruiert werden können.[xv]
Tatsächlich leuchtet ein, dass ALLAAH (ta’aala) die Engel als Geschöpfe ohne eigenen Willen so erschuf, dass sie ihre Meinung auf ihren Kenntnisstand aufbauend äußerten und nicht lediglich Informationen aufnahmen. Innerhalb des Dialogs konnte so eine ‘Aqiidah-Lektion wiederholt und betont werden, nämlich dass ALLAAH Der Allwissende ist und Engel in ihrem Wissen begrenzt sind.
Die Begebenheit zwischen Ibraahiim (‘alaihis-salaam) und Ismaa‘iil (‘alaihis-salaam) untermauert die Schlussfolgerung, dass eine Schuura auch im Falle von bereits beschlossenen Angelegenheiten mit den Betroffenen einzuberufen sei:
فَلَمَّا بَلَغَ مَعَهُ السَّعْيَ قَالَ يَا بُنَيَّ إِنِّي أَرَى فِي الْمَنَامِ أَنِّي أَذْبَحُكَ فَانظُرْ مَاذَا تَرَى قَالَ يَا أَبَتِ افْعَلْ مَا تُؤْمَرُ سَتَجِدُنِي إِنْ شَاءَ اللَّهُ مِنْ الصَّابِرِينَ
Als dieser soweit wurde, mit ihm dem Erwerb nachzugehen, sagte er: „Mein Söhnchen! Ich sah im Schlaf, dass ich dich opfere, so schau, was du meinst.“ Er sagte: „Mein Vater! Tu, was dir geboten wurde. Du wirst mich – so ALLAAH will – als einen der Duldsamen finden.“[xvi]
Badrud-diin Bnu-dschamaa‘ah[xvii] wie auch At–tartuuschiy[xviii] gelangten ebenfalls durch den Dialog der beiden Propheten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) zu diesem dargelegten Schluss.
At–tabariy führt in seinem Kommentar zu dieser Aayah die Aussage Mudschaahids an, der überlieferte, dass Ismaa‘iil (‘alaihis-salaam) seinen Vater Ibraahiim (‘alaihis-salaam) darum gebeten hat die Opferung so vorzunehmen, dass sie sich dabei nicht von Angesicht zu Angesicht betrachten konnten, da sonst die Gefahr bestehen würde, dass der Vater schwach wird.[xix]
Ibnu-kathiir zitiert u. a. Ibnu-‘abbaas dahingehend, dass Ismaa‘iil (‘alaihis-salaam) sein Hemd ausgezogen hat, damit sein Vater es nach der Opferung als Leichentuch verwenden konnte.[xx]
Somit ist durch dieses Beispiel weitere Nutzen der Beratung ersichtlich geworden, nämlich dass durch sie die Umsetzung eines bereits gefassten Beschlusses in einer Angelegenheit erleichtert (die Vermeidung einer Angesicht-zu-Angesicht-Situation) und bereichert (die Idee bezüglich des Leichentuchs) wird. Nachdem nun bereits zwei zentrale Aayaat zur Abschnittsthematik dargelegt wurden, folgen an dieser Stelle zwei weitere, die nach dem Maqaasid-Gelehrten Ar-raisuuniy die zentralsten Aayaat zur Schuura sind, nämlich die Aayaat 42:28 und 3:159.[xxi]
In Asch-schuura werden in einem Abschnitt lobenswerte Eigenschaften aufgeführt:
وَالَّذِينَ اسْتَجَابُوا لِرَبِّهِمْ وَأَقَامُوا الصَّلاةَ وَأَمْرُهُمْ شُورَى بَيْنَهُمْ وَمِمَّا رَزَقْنَاهُمْ يُنْفِقُونَ
auch für diejenigen, die ihrem HERRN folgen, das rituelle Gebet ordnungsgemäß verrichten, ihre Angelegenheiten in Beratung unter sich klären und von den Gaben geben, die WIR ihnen gewährten;[xxii]
Die Tatsache, dass die Beratung direkt nach dem rituellen Pflichtgebet im Quraan erwähnt wird, ist ein weiterer Hinweis auf ihren hohen Stellenwert.
Nun zur zweiten, nach Ar-raisuuniy zentralsten, Aayah zur Schuura:
فَبِمَا رَحْمَةٍ مِنْ اللَّهِ لِنْتَ لَهُمْ وَلَوْ كُنْتَ فَظّاً غَلِيظَ الْقَلْبِ لانْفَضُّوا مِنْ حَوْلِكَ فَاعْفُ عَنْهُمْ وَاسْتَغْفِرْ لَهُمْ وَشَاوِرْهُمْ فِي الأَمْرِ فَإِذَا عَزَمْتَ فَتَوَكَّلْ عَلَى اللَّهِ إِنَّ اللَّهَ يُحِبُّ الْمُتَوَكِّلِينَ
(Nur) durch Gnade von ALLAAH warst du ihnen gegenüber sanftmütig. Doch wärest du barsch, hartherzig gewesen, hätten sie dich verlassen! So verzeih ihnen, bitte um Vergebung für sie und berate dich mit ihnen über die ganze Angelegenheit. Solltest du dich dann entschieden haben, so verlasse dich auf ALLAAH. ALLAAH liebt diejenigen, die sich auf IHN verlassen! [xxiii]
Sababun-nuzuul[xxiv] der Aayah unterstreicht das Gebot zur Beratung insofern, als dass ein militärischer Sieg durch das Fehlverhalten einiger Gefährten in Uhud unmöglich geworden war und es daher durchaus einen Tadel für die Gemeinde hätte geben können. Stattdessen wurde dem Propheten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) das Gebot zur Beratungseinholung zum wiederholten Male[xxv] und nun auch im Quraan direkt eingegeben.
Ibnu-kathiir erwähnt in seiner Erläuterung dieser Aayah, dass es zu den Gewohnheiten des Gesandten ALLAAHs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) zählte, Ratschläge von seinen Gefährten einzuholen. Weiterhin erwähnt er, dies würde zur Beruhigung der Seelen beitragen und auch dazu, dass die gemeinsam gefundene Entscheidung von den Beteiligten mit Elan umgesetzt werden kann.[xxvi] Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird nun auf das Spektrum der Beratung im Quraan eingegangen:
وَإِذَا طَلَّقْتُمْ النِّسَاءَ فَبَلَغْنَ أَجَلَهُنَّ فَلا تَعْضُلُوهُنَّ أَنْ يَنكِحْنَ أَزْوَاجَهُنَّ إِذَا تَرَاضَوْا بَيْنَهُمْ بِالْمَعْرُوفِ ذَلِكَ يُوعَظُ بِهِ مَنْ كَانَ مِنْكُمْ يُؤْمِنُ بِاللَّهِ وَالْيَوْمِ الآخِرِ ذَلِكُمْ أَزْكَى لَكُمْ وَأَطْهَرُ وَاللَّهُ يَعْلَمُ وَأَنْتُمْ لا تَعْلَمُونَ
„Und wenn ihr von den Ehefrauen die Talaaq/Scheidung vollzogen habt und sie sich dem Ende ihrer Wartezeit nähern, dann hindert sie (die Frauen) nicht daran, ihre Männer wieder zu heiraten, wenn sie sich nach dem Gebilligten aussöhnen. Damit wird von euch ermahnt, wer den Iimaan an ALLAAH und an den Jüngsten Tag zu verinnerlichen pflegte. Dies ist für euch nutzbringender und reiner. Und ALLAAH weiß und ihr wisst nicht.“[xxvii]
In dieser Aayah, welche die Ehe resp. die Scheidung abhandelt, ist die Schuura implizit erwähnt, denn ohne Gespräche und Meinungsaustausch kann keine gegenseitige, zufriedenstellende Einigung erfolgen.[xxviii]
وَالْوَالِدَاتُ يُرْضِعْنَ أَوْلادَهُنَّ حَوْلَيْنِ كَامِلَيْنِ لِمَنْ أَرَادَ أَنْ يُتِمَّ الرَّضَاعَةَ وَعَلَى الْمَوْلُودِ لَهُ رِزْقُهُنَّ وَكِسْوَتُهُنَّ بِالْمَعْرُوفِ لا تُكَلَّفُ نَفْسٌ إِلاَّ وُسْعَهَا لا تُضَارَّ وَالِدَةٌ بِوَلَدِهَا وَلا مَوْلُودٌ لَهُ بِوَلَدِهِ وَعَلَى الْوَارِثِ مِثْلُ ذَلِكَ فَإِنْ أَرَادَا فِصَالاً عَنْ تَرَاضٍ مِنْهُمَا وَتَشَاوُرٍ فَلا جُنَاحَ عَلَيْهِمَا وَإِنْ أَرَدْتُمْ أَنْ تَسْتَرْضِعُوا أَوْلادَكُمْ فَلا جُنَاحَ عَلَيْكُمْ إِذَا سَلَّمْتُمْ مَا آتَيْتُمْ بِالْمَعْرُوفِ وَاتَّقُوا اللَّهَ وَاعْلَمُوا أَنَّ اللَّهَ بِمَا تَعْمَلُونَ بَصِيرٌ
Die Gebärenden stillen ihre Geborenen zwei volle Jahre für denjenigen, der die Stillzeit vollständig durchführen will. Demjenigen, dem geboren wurde, obliegt ihre Versorgung und ihr Bekleiden nach dem Üblichen. Einer Seele wird nicht auferlegt außer, was sie vermag. Weder einer Gebärenden darf wegen ihres Geborenen Schaden zugefügt werden, noch demjenigen, dem geboren wurde, wegen seines Geborenen; und dem Erben obliegt Gleiches wie dies. Sollten beide sich zum Abstillen im gegenseitigen Einvernehmen und nach Beratung entschließen, dann ist es für beide keine Verfehlung. Wenn ihr eure Kinder (durch andere) stillen lassen wollt, dann ist es keine Verfehlung für euch, wenn ihr das gebt, was ihr vereinbart habt, nach dem Üblichen. Erweist euch ehrfürchtig ALLAAH gegenüber und wisst, dass ALLAAH gewiss dessen, was ihr tut, allsehend ist. [xxix]
Ibnu- ’aaschuur bemerkt bezüglich der Aayah 2:233, welche die Entwöhnung thematisiert, dass durch Beratung die Rechte deutlich werden sowie die Zufriedenheit aller erreicht wird.[xxx]
Eine weitere Aayah beschäftigt sich mit einer Familienangelegenheit und der darin zentralen Bedeutung der Schuura:
فَإِنْ أَرْضَعْنَ لَكُمْ فَآتُوهُنَّ أُجُورَهُنَّ وَأْتَمِرُوا بَيْنَكُمْ بِمَعْرُوفٍ وَإِنْ تَعَاسَرْتُمْ فَسَتُرْضِعُ لَهُ أُخْرَى
Sollten sie für euch stillen, dann gebt ihnen ihren Lohn. Und ruft euch gegenseitig zur Billigkeit auf. Solltet ihr Schwierigkeiten miteinander haben, so wird für ihn eine andere stillen. [xxxi]
In dieser Aayah wird der Konsensfindungsprozess zwischen den Geschiedenen bezogen auf das gemeinsame Kind, welches noch zu stillen ist, thematisiert. Die Gegenseitigkeit beim Aufruf zum Guten wird hier erwähnt (وَأْتَمِرُوا بَيْنَكُمْ بِمَعْرُوفٍ), ebenso wie die Möglichkeit des sich Einander-Schwer-Machens (وَإِنْ تَعَاسَرْتُم).
Im letzteren Fall ist eine andere Stillmutter einzuschalten.
Bevor es jedoch im Islam zu einer Scheidung kommen kann, wird vorbeugend eine gesellschaftliche Institution zwischengeschaltet, nämlich die familiäre Vermittlung:
وَإِنْ خِفْتُمْ شِقَاقَ بَيْنِهِمَا فَابْعَثُوا حَكَماً مِنْ أَهْلِهِ وَحَكَماً مِنْ أَهْلِهَا إِنْ يُرِيدَا إِصْلاحاً يُوَفِّقْ اللَّهُ بَيْنَهُمَا إِنَّ اللَّهَ كَانَ عَلِيماً خَبِيراً
Wenn ihr Streitigkeit zwischen ihnen (den Eheleuten) fürchtet, dann schaltet einen Schiedsmann von seinen Angehörigen und einen Schiedsmann von ihren Angehörigen ein. Wenn beide Versöhnung wollen, wird ALLAAH beide erfolgreich sein lassen. ALLAAH bleibt immer allwissend, allkundig! [xxxii]
Die Einrichtung eines Schiedsgerichts resp. einer Schiedsinstitution bestehend aus zwei Personen, welche jeweils eine der beiden Parteien repräsentieren, sorgt für einen Automatismus bezüglich der Beratung, da Alleingänge so ausgeschlossen sind. Die Beratung erfolgt dabei nicht nur auf organisatorischer Ebene zwischen den beiden allein, sondern (zumindest aller Wahrscheinlichkeit nach) auf einer organischen Basis auch zwischen den Schiedspersonen einerseits und den jeweiligen Eheleuten und deren Familien andererseits.
Ebenfalls schlüssig ist die Annahme, dass bereits Beratungen stattfinden, wenn es darum geht sich als Paar auf Schiedspersonen zu einigen, eine Vorauswahl von potentiellen KandidatInnen für diese Funktion zu treffen wie auch um die Frage zu klären, ob die dafür im Gespräch stehenden KandidatInnen selbst diese Funktion überhaupt annehmen wollen.
Neben dem Innerfamiliären betrifft die folgende Aayah ebenfalls die Staatspolitik:
Die im Quraan positiv erwähnte Königin von Saba, die in ihrer Eigenschaft als Herrscherin die Beratung institutionalisiert hatte, wird hier beleuchtet:
قَالَتْ يَا أَيُّهَا المَلأ أَفْتُونِي فِي أَمْرِي مَا كُنتُ قَاطِعَةً أَمْراً حَتَّى تَشْهَدُونِ
Sie sagte: „Ihr Berater! Gebt mir einen Rat über meine Angelegenheit! Ich werde nie eine Entscheidung treffen, bis ihr anwesend seid.“ [xxxiii]
Al-dschassaas bemerkt, dass der an den Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) adressierte Befehl, er möge seine Gefährten zu Rate ziehen, nicht näher durch eine Aufteilung in weltliche und religiöse Angelegenheiten differenziert wurde und somit für uns eine allgemeingültige, uneingeschränkte Bedeutung hat.[xxxiv]
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Mohammed Johari
Nach Expertise-Strebender
[i] Quran (4:83)
[ii] Ar-raisuuniy: Asch-schuura, S. 54.
[iii] Quraan (12:54-56)
[iv] Quraan (17:101)
[v] Quraan (25:59)
[vi] Ibnu-kathiir: Tafsiirul-quraan, Daarus-salaam, Riyadh, 2000, Band 7, S. 191.
[vii] Quraan (21:7)
[viii] Quraan (16:43)
[ix] Ibnu-kathiir: Tafsiirul-quraan, Daarus-salaam, Riyadh, 2000, Band 5, S. 468.
[x] Al-mubaarakpuuriy, Saifur-rahmaan: Ar-rahiiqul-machtuum. (THE SEALED NECTAR). Memoirs of the Noble Prophet [pbuh]. o.J., S. 105.
[xi] Ar-raisuuniy: Asch-schuura, S. 57.
[xii] Quraan (27:22)
[xiii] Muhammad At–taahir Bnu-’aaschuur: At-tahriir wat-tanwiir, Tunis, Ad-daarut-tuunisiyyah lin-naschr, 1984, Band 1, Seite 400, in: Ar-raisuuniy, Ahmad: Asch-schuura: The Qur’anic Principle of Consultation, International Institute of Islamic Thought (IIIT), 2016 [im Folgenden: Ar-raisuuniy: Asch-schuura], S. 2.
[xiv] Quraan: (2:30-32)
[xv] Ar-raisuuniy: Asch-schuura, S. 2.
[xvi] Quraan (37:102)
[xvii] In: Ar-raisuuniy: Asch-schuura, S. 3.
[xviii] In: Ar-raisuuniy: Asch-schuura, S. 3.
[xix] At–tabariy, Band 21, S. 76, in: http://library.islamweb.net/maktaba/index.php?flag=1&page=bookpages&bookid =50&id=4171&bookparts=[76:21]&LoadTab=LoadBookDetail
[xx] Ibnu-kathiir: Tafsiirul-quraan, Daarus-salaam, Riyadh, 2000, Band 8, S. 274.
[xxi] Ar-raisuuniy, Ahmad: Asch-schuura: The Qur’anic Principle of Consultation, International Institute of Islamic Thought (IIIT), 2016 [im Folgenden: Ar-raisuuniy: Asch-schuura], S. 1.
[xxii] Quraan (42:38)
[xxiii] Quraan (3:159)
[xxiv] Sababun-nuzuul (singular) ist in diesem Kontext einer praxisbezogenen Scharii’ah-Norm die Feststellung der Takliifiy-Norm zur Zeit der sich ereignenden Angelegenheit durch Wahy.
[xxv] Die Schlacht von Uhud fand nach der Schlacht von Badr statt und auch in Badr hatte sich der Prophet bereits mit seinen Gefährten beraten, siehe Ibnu-kathiir: Tafsiirul-quraan, Daarus-saalam, Riyadh, 2000, Band 2, S. 305.
[xxvi] Ibnu-kathiir: Tafsiirul-quraan, Daarus-saalam, Riyadh, 2000, Band 2, S. 305.
[xxvii] Quraan (2:232)
[xxviii] Ar-raisuuniy: Asch-schuura, S. 4.
[xxix] Quraan (2:233)
[xxx] In: Ar-raisuuniy: Asch-schuura, S. 38.
[xxxi] Quraan (65:6)
[xxxii] Quraan (4:35)
[xxxiii] Quraan (27:32)
[xxxiv] Ar-raisuuniy: Asch-schuura, S. 19.